Palmen ohne Ende

Zwölf Uhr mittags: ein letzter Regenschauer zum Abschied. Die Propellermaschine pflügt durch das nasse Rollfeld und steigt in den Himmel. Wir verlassen den indonesischen Teil von Borneo und fliegen von Tarakan nach Tawau auf dem malaiischen Teil. Ein Katzensprung. Kaum eine Stunde später stehen wir mit unserem Gepäck, den passenden Scheinen in Landeswährung aus der ATM sowie einer Simkarte für den lokalen Mobilfunkdienst vor dem Flughafen.

   Mit dem Taxi fahren wir zum Busterminal in der Stadt. Der letzte Bus ins rund 320 Kilometer entfernte Sandakan geht um 14:00 Uhr. Das Gefährt hat seine besten Tage längst hinter sich. Es stammt gefühlt aus den frühen siebziger Jahren und wurde wohl schon mehrfach überarbeitet. Mindestens die Hälfte der Karosserie des Plastikbombers auf runderneuerten Reifen ist bereits Marke Eigenbau. Die Front scheint sogar komplett aus kunstharzverstärkten Silikonmatten  nachgebaut zu sei. Erinnert irgendwie an die Seifenkisten von früher oder die Comic-Gefährte im Zeichentrickland. Das rustikale Innenleben wirft wieder einmal die Frage auf, wann es Blogs mit Geruchsfunktion geben wird.

Als Kontrast zu diesem kreativen Wildwuchs findiger Handwerkskunst dient die eintönige Landschaft, durch die wir die nächsten Stunden fahren. Das hatte sich bereits im Landeanflug angedeutet. Ölpalmen soweit das Auge reicht. Wie grüne Zinnsoldaten, in Reih und Glied, rechts und links der Straße, bis zum Horizont. Harmlos erscheint da die Erinnerung an die Monokulturen der Bananenplantagen im Norden von Laos letztes Jahr. Und was wir bei der Fahrt durch das indonesische Kalimantan befürchtet, aber nicht vorfanden, hier ist es Wirklichkeit.

Einfach nur Wahnsinn. Das Ende einer romantischen Erinnerung. In meiner Jugend hing eine große Fototapete hinter meinem Bett, weißer Sandstrand mit Palmen im Abendrot. Beim Anblick der endlosen Palmwedel hier bleibt nur der pure Horror. Die regelmäßigen grünen Reihen nehmen kein Ende. Gelegentlich ragt das tote Gerippe eines Urwaldriesen durch das Einheitsgrün. Wie zum Hohn zwischendurch am Straßenrand ein paar Kokospalmen, Bananenstauden und Mango-Bäume. Selbst die Architektur ist monothematisch. Neue Arbeitersiedlungen werden gleich als einheitliche Reihenhäuser in Serie gebaut.

Die Natur in diesem Landesteil wurde umfunktioniert zu einer gigantischen Fabrik für die weltweite Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie. Kein Hügel kann den grünen Einheitsteppich stoppen. Die Natur wird einfach abgeholzt, terrassiert und profitabel umgebaut.

Nach etwa 100 Kilometer Fahrt ein kleiner Abschnitt der ursprünglichen Vegetation. Die Fahrt durch das Schutzgebiet dauert keine 5 Minuten. Danach, Überraschung, die nächste Plantage.

18:30 Uhr, 200 Kilometer sind geschafft. Die Dämmerung senkt sich gnädig über die Palmen. Schnell wird es dunkel. Wieder ein kurzer Regenschauer. Beiderseits der Straße huschen die Schemen der Ölpalmen an den Scheiben vorbei…

Sieben Stunden nach der Abfahrt in Tawau haben wir Sandakan erreicht und nehmen ein Taxi zum Sepilok Jungle Resort. Von dort wollen wir morgen früh die ursprüngliche Vegetation und Tierwelt dieses Landes erkunden. Solange es sie noch gibt.

Unterkunft:
Sepilok Jungle Resort
Jalan Rambutan, Sepilok, Mile 14, Sepilok, Sandakan, Malaysia, 90000 

 

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