Abenteuer Nam Ou

Der Besitzer des Viphaphone Hotels bringt uns zum Busbahnhof am östlichen Stadtrand. Zusammen mit 30 Kindern und Jugendlichen rumpeln wir kurz darauf die unbefestigte Schotterpiste talwärts. Etwa auf halber Strecke tauchen wir in den Wolkennebel, der um diese Zeit das Tal wie eine Decke einhüllt. Nach zwei Drittel der Strecke ein unfreiwilliger Zwischenstopp. Der linke Vorderreifen ist platt wie eine Flunder. Muss man sich deshalb Sorgen machen, dass wir das Boot nicht mehr rechtzeitig erreichen? Wohl kaum. Wir sind in Laos und da ist Gelassenheit Programm.

Unter den interessierten Blicken der Mitreisenden wechselt der Fahrer zügig den runderneuerten Platten gegen den neuwertigen Ersatzreifen. Die Panne ist nach 20 Minuten behoben und wir erreichen mit nur wenig Verspätung die Bootsanlegestelle von Hat Sa. Die Boote fahren nicht strikt nach Fahrplan, sondern warten bis sie genug Passagiere haben.

Das schmale Langboot bietet Platz für ein Dutzend Fahrgäste. Wir sind zu zehnt, außer uns noch ein in Singapur arbeitender deutscher Quantenphysiker, eine Slowakin, vier Chinesen und zwei Laoten. Kaum sind unsere Rucksäcke verladen, tuckern wir auch schon auf dem milchkaffeebraunen Nam Ou stromabwärts.

Der Fluss fließt gemächlich zwischen den dicht bewachsenen Bergen dahin, deren Gipfel sich noch hinter der Wolkendecke verstecken. Trotz des lauten Motorgedröhns kann man dieser Fahrt durchaus meditative Momente abgewinnen – nicht nur wenn ein in die Jahre gekommenes Kloster mit rostigen Wellblechdächern am Ufer aus dem Dickicht lugt.

Die freien Plätze werden von Einheimischen genutzt, die nur einen Teil der Strecke an Bord bleiben. Unterwegs machen wir mehrfach Halt an kleinen Fischerdörfern, die offensichtlich nur auf diese Weise zu erreichen sind. Gegen 11 Uhr brechen die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolken. Mittags ziehen nur noch wenige Wolken über den Himmel.

Der Flusslauf verbreitert sich zusehends  und das schlammige braune Wasser ist jetzt olivgrün. Die abgestorbenen Bäume im Fluss sind ein deutlicher Hinweis auf den trotz Trockenheit angestiegenen Wasserspiegel; Vorboten des vor uns liegenden Staudamms.

Der Nam Ou mündet kurz vor Luang Prabang in den Mekong. Im Vergleich zu ihm wird er seltener von Touristen befahren. Allein die Anreise zu den Einstiegsgelegenheiten flussaufwärts ist deutlich mühsamer als die für die touristische Rennstrecke auf dem Mekong. Auch hockt man hier in kleineren Booten auf schmalen Planken, während viele Mekongboote schon vor sechs Jahren mit der Bestuhlung alter Reisebusse aufgerüstet wurden. Doch die abenteuerlichere Alternative ist langfristig in Gefahr. Fünf Staudämme sind auf der gesamten Strecke geplant bzw. im Bau. Schon jetzt zwingt der mittlerweile geschlossene oberste Staudamm #5 auf der ersten Etappe bis Muang Khoua zu einer Unterbrechung der Bootstour bei Samphan. Da hilft nur raus aus dem Boot  und den Damm mit einem der bereit stehenden Tuk Tuks umfahren.

Mit Vollgas geht es eine halbe Stunde lang  oberhalb des sichtbar nicht schiffbaren Nam Ou über eine Schotterpiste nach Samphan. Entgegen der ursprünglichen Informationen ist eine Weiterfahrt per Boot leider nicht möglich. Also warten wir eine Stunde auf die nächste Beförderung über Land. Die Haltestelle liegt direkt an einem kleinen Markt mit obligatorischem Restaurant. Das ist ganz praktisch, für ein schmackhaftes Omelette zeige ich der Köchin die gewünschten Zutaten – inklusive meiner Aversion für Koriander.

Um 14 Uhr starten wir schließlich per Tuk Tuk nach Muang Khoua. Für die verbleibenden 50 Kilometer benötigt der Fahrer rund 2 Stunden. Unterwegs wird schnell klar, wie unmöglich eine Weiterfahrt auf dem Fluss gewesen wäre. Ein Blick auf die Uferböschung zeigt, dass der Wasserspiegel jetzt rund 2 Meter tiefer liegt als normal. Bei den Stromschnellen ist selbst Rafting keine Option, von einer Fahrt im Langboot ganz zu schweigen.

Wenige Kilometer vor Muang Khoua passieren wir die nächste Großbaustelle. Aufraggeber ist wie bei allen anderen ein großer chinesischer Energiekonzern. Für Staudamm #4 werden derzeit die Bergwände an entsprechender Stelle betoniert. Der nächste Sargnagel für den Tod des ursprünglichen Abenteuers einer Flussfahrt auf dem Nam Ou.

Unterkunft:
Cha Luen Souk Guest House
Muang Khoua

 

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