Nicht allein im Museum…

Das Museum „The Broad“ ist uns bereits zu Anfang dieser Reise aufgefallen, als wir bei einer Stadtrundfahrt an der von Frank Gehry entworfenen Walt-Disney-Konzerthalle vorbeikamen. Direkt daneben befindet sich ein schräg in den Boden gerammter, nicht weniger augenfälliger Kubus. Er beherbergt ein Privatmuseum für zeitgenössische Kunst und wurde eigens für die rund 2.000 Werke umfassende Privatsammlung des Milliardärs Eli Broad und seiner Frau Edythe gebaut.

Regelmäßig finden hier auch Sonderausstellungen zeitgenössischer Künstler statt. Bis zum 9. April dieses Jahres ist die multimediale Retrospektive „In Praise of Shadows“ des Südafrikaners William Kentridge zu sehen.

Die Installation „Singer Trio“ aus drei sich bewegenden alten „Singer“-Nähmaschinen mit aufmontierten „Flüstertüten“, aus denen die Dauerschleife eines südafrikanischen Volkslieds tönt, sorgt gleich zu Anfang für die werkgerechte Stimmung. Kentridge ist der Sohn zweier Apartheid-Aktivisten; die Megaphone sind eine Metapher für den Protest. Nicht immer sind die wiederkehrenden Motive seiner Sicht auf den Rassismus – nicht nur seines Landes – so einfach zu entschlüsseln.

Der Künstler belässt es nicht bei statischen Zeichnungen und Gemälden. In einem kleinen „Kino“ haben wir Gelegenheit, 11 seiner Kurzfilme aus der Reihe „Drawings for Projection“ zu sehen, animierte Kohlezeichnungen, die zwischen 1989 und 2020 entstanden sind.

Einer von ihnen „Felix in Exile“ aus dem Jahr 1994 weckt bei mir Erinnerungen an den Kurzfilm „Break Trough with Colors“ des Münchner Filmhochschulstudenten Michael Stahlberg, den ich Ende der 80er ein wenig bei seinen Produktionen unterstützen durfte. In seinem Kurzfilm malt sich ein, in einem ähnlich klaustrophobischen Raum Gefangener mit Buntstiften einen Ausgang auf die Wände und entschwindet durch diesen. Kentridge’s Held „überschwemmt“ die Wände seines „Exils“ mit unzähligen Bildern und Zeichnungen. Für die Befreiung sorgt ein überlaufendes Waschbecken, das den glücklichen „Felix“ aus dem Zimmer in die Freiheit schwemmt.

Nach fast zwei Stunden geht’s dann auf einer Rolltreppe rauf in den zweiten Stock, wo sich  die eigentliche Sammlung der beiden Museums-Stifter befindet. Es sind vor allem Exponate überwiegend amerikanischer Künstler. Gelegentlich verweisen sie nicht ohne Augenzwinkern oder auch mit dezenter Kritik auf Vorbilder aus der europäischen Kunstgeschichte. Die Afroamerikanerin Mickalene Thomas zitiert beispielsweise mit ihrem großformatigen Gemälde „Le déjeuner sur l’herbe: les trois femmes noires“ aus dem Jahr 2010 Édouard Manets Gemälde „Das Frühstück im Grünen“ aus dem Jahr 1863. Bei ihrer Deutung des Sujets sind keine Männer mit von der Partie und die blasse Gespielin der beiden in der Vorlage wird durch eine Afroamerikanerin ersetzt.

Eine weitere Künstlerin, die sich in ihrem Werk mit Geschlecht, Identität, Rassismus, Sexualität und Gewalt auseinandersetzt, ist Kara Walker. Ihre Scherenschnitte „African’t“ aus dem Jahr 1996 sind „ein wenig“ anders als das, was man sonst von dieser Technik erwarten würde. Für ein kindgerechtes Schattenspiel sind sie augenscheinlich nicht gemacht…

Bekannt für seine Verfremdung von ist auch der US-Amerikaner Jeff Koons. Seine bonbonfarbenen, überdimensionierten Alltagsobjekte haben wir zuletzt in Bilbao vor dem dortigen Guggenheim-Museum gesehen.

Größere Abteilungen der Sammlung sind den Größen der amerikanischen Pop-Art der 50er und 60er gewidmet, darunter zahlreiche Siebdrucke von Andy Warhol und die durch die Vergrößerung surreal wirkenden Comic-Bilder von Roy Lichtenstein.

Ebenfalls größeren Raum erhält der Neo-Expressionist Jean-Michel Basquiat, der sich als erster afroamerikanische Künstler in der hauptsächlich weiß dominierten New Yorker Kunstwelt durchsetzen konnte. Der gängigen Einordnung als Graffitikünstler widersprach er allerdings: „Ich bin kein Teil der Graffitikunst.“

Was am meisten in diesem Museum positiv erstaunt, ist das überwiegend junge Publikum, das in Scharen durch die Ausstellungen strömt. Das mag Zufall sein und hat manchmal recht ungewohnte Museumserlebnisse zur Folge, wenn einige vor den Bildern und Objekten für ein Selfie posieren. Ja, die Auseinandersetzung mit Kunst darf auch Spaß machen und sollte vor allem nicht älteren Generationen vorbehalten bleiben.

 Es ist bereits dunkel geworden, als wir uns für heute an Kunst satt gesehen haben und nebenan „zum Italiener“ gehen…

Essen & Trinken:

Vespaio
225 S Grand Avenue
Los Angeles, CA 90012

Unterkunft:

Hotel Pacific, Manhattan Beach
 850 North Sepulveda Boulevard
Manhattan Beach, CA 90266, USA

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