Reif für die Inseln

Und in der Ferne wandern die Mönche. Von hier weg zu gehen, ist schwer, auch wenn heute die 4.000 Mekong-Inseln auf uns warten. Als wir kurz vor sieben mit dem Tuk-Tuk zum Flughafen abgeholt werden, zieht noch eine letzte safranfarbene Gruppe an unserem Hotel vorbei. Ende Gelände? Wohl kaum. Am Ortseingang wartet ein Bus, der weitere Mönche aus dem Umland in die Stadt bringt. Kein Wunder, dass die Prozessionen kein Ende nehmen.

„Guten Morgen.“ begrüßt uns der Zollbeamte am Flughafen auf Deutsch.  Ein kurzer Blick in die Pässe, ein Stempel aufs Ticket das war’s schon. „Einen schönen Tag noch, auf Wiedersehen.“ Das Einchecken ging zunächst problemlos. Obwohl wir kein Gepäck zugebucht hatten, war es kein Problem, unsere Rucksäcke aufzugeben. Wir stehen bereits beim Durchleuchten des Handgepäcks, da kommt ein Flughafen-Angestellter angerannt: „Stopp!“ in den Rucksäcken befanden sich offensichtlich noch Akkus. Stimmt, mein Surface und Cosys Tablett müssen raus. „Noch mehr! Nicht genug.“ Der Mitarbeiter zeigt mir auf dem Handy einen weiteren neuralgischen Punkt. Was kann das sein? Klar, die Zahnbürste, die elektrische. Auch sie wandert ins Handgepäck.

Beim Durchleuchten am Gate ist man deutlich schmerzfreier. Ich vergesse, meinen Gürtel mit der großen Schnalle  abzunehmen, aber: kein Problem. Die Lichter bleiben grün und ich darf passieren. Noch ein letztes Croissant im Wartebereich, dann geht’s zu Fuß übers Rollfeld zu der kleinen Propellermaschine der Lao Air.

„Rrrrrrrrrrr….“, wir gewinnen schnell an Höhe, durchstoßen die morgendliche Wolkendecke über der Stadt und lassen die  wolkenwatte-gefüllten Täler über dem Mekong hinter uns. Der Flieger brummt ruhig über die Berge gen Süden. Der anderthalb-stündige Flug nach Pakse war die einzige Alternative zu einer mehr als  24stündigen Busfahrt für rund 50 Euro, nachdem die vor wenigen Jahren neu gebaute Verbindung mit einem hochmodernen Schnellzug bereits seit Tagen ausgebucht ist. Die hätte uns in zwei Stunden auch nur bis Vientianne gebracht, von wo aus nochmals eine mindestens  zehnstündige Busfahrt durch thailändisches  Staatsgebiet zuzüglich zweier Grenzkontrollen mit entsprechendem neuen Visum fällig gewesen wäre. Letztlich ist es nicht nur deutlich schneller sondern auch nur unwesentlich teurer, spontan ein Flugticket für rund 62 Euro zu ergattern, als auf einen Platz in dem neuen Zug zu warten.

Eine Fahrt mit 160 km/h auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke des „Lane Xang“, das klingt nach Fortschritt und Gewinn für eines der ärmsten Länder dieser Region.  Mit dem „Lane Xang“ verhält es sich freilich ähnlich wie mit den vielen unzähligen Dämmen, die ebenfalls von China im Rahmen der Strategie der „Neuen Seidenstraße“ für die Laoten gebaut wurden. Die einfache Bevölkerung hat nichts davon.

Bei den Dämmen fließt der Strom nach China und muss für den Eigenbedarf teuer zurückgekauft werden. Es klingt natürlich wunderbar, wenn die laotische Regierung verkünden kann, dass mehr als 80 Prozent der hierzulande erzeugten Energie mit Wasserkraft produziert wird. Eine weitere Kehrseite der Medaille: der Weg über die Wasserwege für den durchgehenden Transport zu  den Märkten  wird erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Das haben wir bereits im Dezember 2016 bei unserer Flussfahrt auf dem Nam U erfahren.

Um 10 Uhr sind wir pünktlich in Pakse gelandet, jetzt müssen wir sehen, wie wir weiterkommen. Ein Shuttle vom Airport zu einem zentralen Busbahnhof? Nicht in Sicht und nicht zu finden. Also macht ein Minibus-Fahrer das Geschäft und ist bereit, uns nach langer Diskussion für knapp 5 Euro zum Abfahrtspunkt für die öffentlichen Busse nach Pakse zu bringen. Einen Touristenbus wollten wir uns sparen… Öffentliche Busse? Da muss er was missverstanden haben. Am „Terminal 8 km“, acht Kilometer östlich der Stadt ist weit und breit keiner zu sehen.

Aber unser Fahrer ist sich keiner schuld bewusst, er deutet auf die aufgebrezelten Pickups, die im hinteren Teil des Geländes auf Kundschaft warten. Diese Songthaew genannten Sammeltaxis fahren für rund 5 Euro in dreieinhalb bis vier Stunden die Strecke nach Nakasong, dem Abfahrtspunkt der Boote zu den einzelnen Inseln der 4.000  Mekong Islands . Und dann gäbe es noch die Möglichkeit einen Minibus zu mieten, private or shared, zu zweit oder mit mehreren…

Nach heftiger Diskussion über die angebliche Unmöglichkeit weiterer Alternativen, entscheiden wir uns zähneknirschend für die rustikale, aber sofort verfügbare Variante, nehmen allen Mut zusammen und riskieren die Fahrt im Songthaew. Aber: wenn der jetzt an jeder Milchkanne hält, wird die prognostizierte Fahrzeit wohl kaum zu schaffen sein. Und wann geht’s los? Nach einer halben Stunde sind dann endlich genug Fahrgäste an Bord und es lohnt sich für den Fahrer, loszufahren.

Die Fahrt geht zügig voran. Zugig natürlich auch, denn die Seiten rechts und links sind offen, auch nach hinten herrscht freie Sicht auf den Mekong und den nachfolgenden Verkehr. Die Abgase wehen einem munter um die Nase, kein Wunder, dass einige Mitfahrer Masken tragen, oder mit steigender Frequenz die Nase mit einem Mentholstift „verwöhnen“…

Entgegen unseren Befürchtungen gibt es nur wenige Zwischenstopps, fünfmal halten wir kurz zwischendurch, meist um irgendwo im Nirgendwo Pakete abzuliefern oder entgegenzunehmen. Wie die Abholer es schaffen, pünktlich an Ort und Stelle aus dem Nichts zu erscheinen, bleibt rätselhaft. Ist der Stopp in einem Dorf, rennen schnell einige Händler herbei, die die Reisenden mit Getränken versorgen und plattgeklopfte, zwischen zwei Bambusstecken geklemmte, frisch gegrillte Hühnerteile anpreisen.

„Kracks“ eine kleine Bodenwelle der eigentlich gut asphaltierten Fahrbahn hat unser Fahrzeug kurz hoppeln  lassen und die Aufstellungs-Statik der Pritsche gestört, auf der ich zudem ein wenig zu weit nach vorne gerutscht bin. „Kracks“, noch einmal kippt das Brett um einige Zentimeter nach vorn und nach unten. Die Mädels auf den hinteren Plätzen stöhnen hörbar auf. Zum Glück ist das Reparabel. Mit wenigen Handgriffen bringt unser Fahrer das Brett wieder in die richtige Lage und weiter geht‘s zum nächsten Zustellpunkt.

Zuletzt hält unser Songthaew zweimal, um einige Passagiere an ihrer Haustür, besser gesagt am Gatter vor einem Grundstück abzusetzen.

Es geht so schnell voran, dass wir bereits nach drei Stunden Fahrtzeit gegen 14:30 Uhr den Highway 13 in Richtung Nakasong verlassen und schon bald den Parkplatz oberhalb der Bootsanlegestellen erreichen. Kurze Verschnaufpause und gründliches Entdehnen. Wir nutzen die Gelegenheit, in einem Restaurant mit freiem Internetzugang ein Quartier für die nächsten Tage zu suchen. Bei unserem letzten Besuch der 4.00 Mekong Inseln im Januar 2017 sind wir im Pan Guesthouse auf der Insel Don Khone untergekommen. Neu in der kleinen Anlage ist ein 2019 gebauter Pool. Kaum zu glauben, die haben noch ein Zimmer frei. Der Bungalow mit zwei Betten ist für rund 25 Euro pro Nacht zu haben.

Für die Kurzstrecke zu den Booten bietet die Fahrerin eines Mini-Tuk-Tuks für 50 Cent (10.000 Kip) ihre Dienste an. Sie hat bereits eine Passagierin an Bord und mag ungern halbleer losfahren. Aber ob da noch unsere beiden Rucksäcke und wir hineinpassen. Ich hab da meine Zweifel, will beherzt hinten hineinklettern. Oups, das Mofa mit dem Beiwagen bäumt sich auf, wie ein Pferd, dass vor einem Hindernis scheut. Zum Glück kann ich gerade noch abspringen, so dass es wieder in die Waagerechte zurückfällt. Großes Gelächter, für diese Woche sind wir wahrscheinlich Stadtgespräch.

Anderthalb Stunden vor Abfahrt des letzten Bootes um 17 Uhr kaufen wir am Pier die letzten Tickets für diesen Tag. Für rund 3,30 Euro (75.000 Kip) pro Person bringt uns ein Langboot in einer halben Stunde direkt an die Anlegestelle 20 Meter unterhalb vom Pan Guesthouse.

Das Timing könnte nicht besser sein, die bereits tieferstehende Sonne taucht zweieinhalb Stunden vor Untergang den Mekong und seine Inseln und Inselchen in dieses goldene Licht, bei dem ich am liebsten fotografiere.

Unterkunft:
Pan’s Guesthouse

Donkhone Road
Don Khon
Ban Donsôm 16010, Laos

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