Tief im Süden

Die Abfahrt des Busses verzögert sich ein wenig – anderthalb Stunden sind für hiesige Verhältnisse nicht wirklich dramatisch und können auf dem nächsten Streckenabschnitt wieder gut gemacht werden. Die Wartezeit überbrücken wir mit einer kleinen Entdeckungstour rund um den Busbahnhof. Die Hallen direkt nebenan haben schon bessere Zeiten gesehen. Einige Gebäudeteile wurden bereits von der Natur zurückerobert und gleichen eher Gewächshäusern als einem Marktplatz. Lediglich im Untergeschoß haben sich einige Händler hartnäckig einen Platz erhalten.

Woran erkennt man, dass man jenseits touristischer Reiserouten unterwegs ist? Mitreisende Einheimische wollen sich unbedingt mit dir fotografieren lassen, Handy sei Dank. Der Unterhaltungsfaktor unserer Art zu Reisen ist einfach unbezahlbar. Die Mädels ziehen erst ihre Jacken aus, damit man ihre schönen Blusen sieht, kämmen sich vor dem kurzfristig zum Spiegel umfunktionierten Handy noch schnell die Haare und stellen sich dann frisch gestylt für ein Selfie neben dich – nachdem du vorher zwei Stunden in der Sonne zerflossen bist. Irgendwie unfair.

Die 222 Kilometer lange Fahrt von Sampit nach Palangka Raya dauert keine vier Stunden. Der Fahrplan ist wieder im Lot, da der Fahrer einfach einen Essenstopp auslässt. Eine Toilette an Bord des voll klimatisierten neuen Reisebusses erübrigt unplanmäßige Stopps auf freier Strecke. Landschaftlich ist nicht allzu viel geboten. Wieder prägen Palmöl- und Kautschukplantagen sowie die obligatorischen Nistsilos der Mauersegler das Bild. Manche Anpflanzung der Gummibäume wirkt regelrecht verwildert, die Vogelquartiere sehen neu aus, werden gerade erweitert oder sind noch im Bau. Man hat fast den Eindruck, mit der Produktion der Schwalbennester wurde eine lukrativere und platzsparendere Einnahmequelle gefunden. Erst rund 60 Kilometer vor Palangka Raya ist Schluss mit der Nesterzucht, die Plantagen gepflegt und sichtbar bewirtschaftet.

Noch während der Fahrt haben wir ein Quartier für die Nacht gebucht. Das wäre selbst ohne die Umrüstung des Handys mit einer indonesischen SIMcard (Telkomsel) kein Problem gewesen, da der Bus über WiFi an Bord verfügt. Mit der eigenen Karte ist der Netzzugang allerdings deutlich schneller – auch wenn es auf kurzen Abschnitten kleinere (Daten-)Funklöcher gibt, in denen nur Telefonieren möglich wäre. Kaum ist die Buchung bestätigt, ploppt schon eine WhatsApp-Meldung auf: Ein Mitarbeiter des Guesthouse erkundigt sich nach der ungefähren Ankunftszeit. Der Bus soll uns einfach bei einem großen Hotel in der Nähe aussteigen lassen, damit man uns von dort abholen und direkt ins Quartier fahren könne. Wow! So einfach kann spontanes Reisen jenseits der Trampelpfade sein.

Wie selbst schwer überbrückbare Sprachbarrieren gemeistert werden können, haben wir tags zuvor beim Kauf des Bustickets erlebt. Abends um 22 Uhr war niemand mehr am Bus Terminal, der etwas anderes als die Landessprache oder einen örtlichen Dialekt verstand. Eine App auf dem Smartphone beseitigte das Hindernis. Mit Google Translate machten wir unser Anliegen verständlich und fanden einen Bus mit einer Abfahrzeit nach unserem Geschmack.

Am Ziel angekommen, ist eine Nachricht per WhatsApp mit einem Bild von uns zum schnellen Wiedererkennen alles was es noch braucht. Keine fünf Minutenspäter bringt uns Jessica, die Tochter der Guesthouse-Betreiber, in das ein paar Nebenstraßen entfernte Quartier. Sie ist die einzige in der Familie, die Englisch spricht. Sie schlägt vor, uns später zu einem Restaurant in der Nähe zu fahren. Sie wolle mit ihrer Mutter sowieso zum Essen fahren. Worauf wir denn Hunger hätten? Gastfreundschaft pur. Und dank ihrer Unterstützung ist die einsprachige Speisekarte auch kein Buch mit sieben Siegeln. Einfach unbezahlbar. Apropos: Die Übernachtung kostet uns heute im großen Doppelzimmer mit einfacher Dusche, Klimaanlage, Fernseher, Kühlschrank und Frühstück nicht einmal 15 Euro…

Unterkunft:
Sola Gracia Guesthouse & Kost
Jl. Nyai Enat I no. 8, Menteng, Jekan Raya, Palangkaraya, Kalimantan Tengah 73111

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